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Neue Anlage zur Vermessung der Kontur- und der Ebenheit von Blechen

Optisches Messsystem im Grobblechwalzwerk der Salzgitter Mannesmann Grobblech GmbH

Im Grobblechwalzwerk der Salzgitter Mannesmann Grobblech GmbH erfasst ein neues optisches Messsystem von nokra die Kontur der Bleche nach dem Warmwalzen und liefert so die Eingangswerte für die optimale Aufteilung der Schnitte. Als weltweit erstes System ist es nicht über einem Rollgang montiert, sondern über dem Kühlbett: Der Messbalken verfährt über die gesamte Länge der Bleche, während diese auf dem Kühlbett liegen. So wird nicht nur die Kontur, sondern auch die Ebenheit mit hoher Präzision erfasst.

Das Grobblechwalzwerk der Salzgitter Mannesmann Grobblech GmbH (SMGB) in Mülheim an der Ruhr stellt Grobbleche bis zu einer Breite von 4,80 m und einer Länge von 24 m her.
Beim Warmwalzen werden die Rohtafeln den Kundenvorgaben entsprechend aus Brammen ausgewalzt. Bisher wurden die Abmessungen der Tafeln am Beginn des Kühlbettes manuell erfasst. Dabei wurden Länge und Breite an mehreren Stellen mit einem Bandmaß gemessen. Aufgrund des hohen Aufwands war es nicht möglich, die Gesamtkontur vollständig manuell zu vermessen und zu dokumentieren.

Die Ziele 

Um für jeden Kunden die Geometrie optimal auszunutzen, sollte die vollständige Kontur der Rohtafeln mit hoher Genauigkeit automatisch erfasst und daraus für jedes einzelne unbesäumte Blech das optimale Schnittmuster ermittelt werden. Außerdem war geplant, die Ebenheit zu erfassen. 

Im Zuge der Digitalisierung der Produktion war darüber hinaus angestrebt, die vollständigen Geometriedaten und ein Grauwertbild der gesamten Oberfläche jedes Blechs zu erhalten, um die nachträgliche Betrachtung zu ermöglichen und so die Rückverfolgbarkeit der Produkte sicherzustellen.

Außerdem sollte eine Möglichkeit geschaffen werden, die aufgenommenen Kontur- und Ebenheitsdaten sowie die Einflüsse unterschiedlichster Parameter auf Kontur und Ebenheit systematisch zu analysieren und damit den Walzprozess stetig weiterzuentwickeln.

Ziel war es also, mit einem automatischen Messsystem nicht nur die vollständige Kontur jedes Bleches zu ermitteln, sondern zusätzlich die Topologie dreidimensional – einschließlich der Höheninformation – zu vermessen, die Daten zu speichern und sie den nachfolgenden Prozessschritten sowie unterschiedlichen Abteilungen online zur Verfügung zu stellen.


Messung früh im Prozess

Stationäre optische Systeme zur Konturvermessung sind weltweit in Grobblechwerken in Betrieb. Dabei sind die Sensoren über den Rollgängen angeordnet und die Bleche fahren unter der Messbrücke hindurch.
Aus der Forderung, die Messergebnisse möglichst früh in der Produktion und auch für die nachfolgenden Prozesse nutzen zu können, kam im Mülheimer Werk als Standort für das Messsystem nur der Beginn des Kühlbettes infrage. 

Hier werden die Bleche jedoch quer transportiert, eine Messung im Durchlauf war daher nicht realisierbar. Die Konsequenz daraus war, den Messbalken mit den Sensoren über die Länge der Bleche zu verfahren, während sie vor dem Steuerstand auf dem Kühlbett liegen. So wurde die neue Messanlage im Blechwalzwerk der Salzgitter Mannesmann Grobblech GmbH in Mülheim an der Ruhr die weltweit erste, die vom bisher üblichen Prinzip abweicht.

Im Vergleich mit der Messung im Rollgang bietet diese Anordnung mehrere Vorteile: Die Bleche bewegen sich während der Messung nicht. Die Längeninformation kann mit hoher Genauigkeit aus der Position des Messbalkens abgeleitet werden. Außerdem wird die Ebenheit gemessen, ohne dass eine Eigenbewegung der Bleche – insbesondere an Kopf und Fuß – die Messung beeinflussen würde. Hierdurch ergibt sich insgesamt eine hohe Messgenauigkeit.

Die Lösung

Herzstücke der Anlage sind werksseitig kalibrierte Laserlichtschnittsensoren von nokra, bei denen jeweils ein Linienlaser und eine Kamera eine Sensoreinheit bilden. Das Gesamtsystem erfasst mit fünf Sensoren, die in der Messbrücke montiert sind, über eine Breite von 5 m insgesamt rd. 10.000 Pixel. Damit beträgt die Auflösung des Systems quer zur Längsachse 0,5 mm. Der Messbereich der Höhenmessung für die Ebenheit beträgt 340 mm über dem Kühlbett bei einer Messunsicherheit von ±0,05 mm.

Ein Präzisions-Wegaufnehmersystem, das aus einem 30 m langen Magnetstreifen entlang der Fahrschiene und einem Messkopf mit einer Ortsauflösung von 10 μm besteht, ermittelt die Längsposition des Sensorbalkens mit einer Genauigkeit von ± 1 mm. Diese Daten bilden die Grundlage für die Längenmessung des Blechs. Die thermische Ausdehnung der Fahrschiene wird mithilfe von Thermoelementen erfasst und durch Temperaturschwankungen bedingte Abweichungen in den Messdaten der Längsposition werden automatisch kompensiert.

Ein gekapseltes Gehäuse schützt die Optik vor Staub. Schmalbandige Filter in der Empfangsoptik verhindern den Einfluss von Fremdlicht. Der Messbalken ist auf der Unterseite mit Wärmeschutzblechen versehen und die Laserlichtschnittsensoren werden aktiv temperiert. Dadurch kann die Messanlage bei Blechtemperaturen bis 150 °C betrieben werden.
Neben elektrischer Energie benötigt das System von nokra weder Druckluft noch eine externe Versorgung mit Kühlwasser. Dies bringt im Hinblick auf die Investitions-, aber auch die Betriebskosten einen spürbaren Kostenvorteil gegenüber Mitbewerbern auf dem Markt.


Das Sicherheitskonzept einschließlich der CE-Kennzeichnung mit der Einbindung der Gesamtanlage in den Produktionsprozess wurde gemeinsam mit Beteiligung des Beratungsunternehmens BIT e.V. aus Bochum erarbeitet und von nokra umgesetzt.

Inbetriebnahme

Der Aufbau der Anlage erfolgte während geplanter Betriebsstillstände, sodass keine Störzeiten einkalkuliert werden mussten. Da nokra die Laserquelle und die Kamera in einem gemeinsamen Gehäuse fest miteinander verbindet und werksseitig kalibriert, war eine Kalibrierung während der Inbetriebnahme nicht erforderlich.

Während der gesamten Projektabwicklung spielten die hohe Kompetenz und die langjährige Erfahrung von nokra mit optischen Messsystemen in der Stahlindustrie eine wichtige Rolle. Ein Beleg dafür ist die solide mechanische Konstruktion des Stahlbaus. Hinzu kamen die große Bereitschaft und die Flexibilität von nokra, auf die besonderen Bedingungen im Werk einzugehen und die Verantwortung für das Gesamtprojekt einschließlich der Stahlkonstruktion für die Verfahreinheit und die Integration in die Infrastruktur von SMGB zu übernehmen.
Den Probebetrieb hat nokra erfolgreich absolviert. Seit Ende November 2019 ist die Anlage vollständig in den Produktionsbetrieb integriert.

Neuer Betriebsablauf

Der Transport der Bleche wird im Mülheimer Werk von einem Lagerverwaltungssystem gesteuert. Wird ein neues Blech auf das Kühlbett aufgelegt, trägt das System die Blechnummer in die Materialverfolgung für die Konturvermessung ein. Der Mitarbeiter auf dem Steuerstand des Kühlbettes wählt das Blech am Bildschirm aus und sendet die Vorgabedaten an die Anlage.

Zusätzlich überprüft er die Blechnummer über zwei Kameras, die fest am Brückenträger montiert sind, um Verwechslungen auszuschließen. Sobald das Blech korrekt im Messbereich positioniert ist, werden die Vorgabedaten an die Anlage übertragen und die Messung wird mit einem einfachen Tastendruck gestartet. Die Anlage fährt automatisch an und erfasst die Geometrie des Blechs über dessen gesamte Länge. Sobald die Anlage das Ende des Bleches erkannt hat, stoppt sie und fährt in die Parkposition zurück.

Aus den Daten der Laserlichtschnittsensoren berechnet die Software unmittelbar nach dem Messvorgang die Blechgeometrie, die Länge, die Breite sowie Kopf- und Fußschrott. Die gesamte Kontur wird im Steuerstand grafisch angezeigt. Die Messdaten werden anschließend an das übergeordnete Produktdaten- und Informationssystem „PRODIS“ übertragen, das die Aufteilung der Schnitte ermittelt. Dabei berücksichtigt es Sicherheitsstreifen, Probennahme- und Schnittlinien entsprechend den spezifischen Vorgaben des Kundenauftrags.


Info-Box

Die von nokra für das Lichtschnittverfahren entwickelten Sensoren projizieren Laserlinien auf die Oberfläche des Bleches, sie decken einen Bereich von jeweils 1.150 mm in der Breite ab. Während der Fahrt des Messbalkens erfassen die unter einem Winkel angebrachten Kameras der Sensoren jeweils „ihre“ Linie. Die Blechkanten werden durch die Auswertung dieser Aufnahmen ermittelt und der jeweiligen Position der fahrenden Messbrücke zugeordnet. Aus der Kombination von Breiten- und Längenmesswerten errechnet die Software die Kontur des Bleches.

Eine Besonderheit des Systems im Mülheimer Werk ist, dass nokra alternierend Laser mit verschiedenen Wellenlängen (rot und infrarot) verwendet. Auf diese Weise entfällt der Versatz der Linien, die Anlage ist kompakt und die Gesamtlänge des Kühlbettes wird vollständig ausgenutzt.

Die Höheninformation, aus der die Ebenheit errechnet wird, ergibt sich aus dem Winkel, unter dem die Kameras die Linien auf dem Blech „sehen“.



Erste Erfahrungen und Bilanz

Das neue System erfüllt die von SMGB im Lastenheft geforderten und von nokra zugesicherten Eigenschaften. Die Außenkontur des Messgutes wird mit einer Genauigkeit von 3,5 mm (Breite) und 5,0 mm (Länge) gemessen. Die Messgenauigkeit entspricht sowohl für die Kontur als auch für die Ebenheit in vollem Maße den Erwartungen. Dabei hat sich die Visualisierung der Kontur mit den eingezeichneten Schnittlinien, Sicherheitsstreifen und Probenstreifen bewährt und ist bei den Mitarbeitern der Produktion auf Anhieb auf hohe Akzeptanz gestoßen.“

Die aus den Messwerten abgeleiteten Schnittmuster stehen dem nachgelagerten Produktionsfluss zur Verfügung. Die digital vorliegenden Geometriedaten unterstützen die statistische Prozesskontrolle und sind bei detaillierten Auswertungen und Optimierungen der Prozesse sehr hilfreich. Die Einflüsse bestimmter Werkstoffe oder Geometrien auf den Produktionsprozess können systematisch analysiert werden. Auch im Nachhinein sind genaue Auswertungen und Optimierungen der Prozesse möglich. So kann zum Beispiel analysiert werden, welchen Einfluss unterschiedliche Werkstoffe auf den Walzprozess haben oder was bei speziellen Abmessungen berücksichtigt werden muss.

Für den Koordinatenabgleich der fünf Sensoreinheiten ist ein Justierkörper aus Hartgestein an der Parkposition neben dem Kühlbett der verfahrbaren Brücke angebracht. Vorteilhaft hat sich der Abgleich einmal pro Schicht und Veränderung der Umgebungstemperatur um einen vorgegebenen Schwellwerten erwiesen. Dabei wird die Zuordnung der Laserlinien untereinander gemessen und automatisch angepasst. Dieser Vorgang läuft vollkommen selbstständig ab.

Die Messbrücke ist vollständig gekapselt. Dies hat den Vorteil, dass sich die Reinigung der Optik auf das gelegentliche Entfernen von Staub beschränkt. Dabei schätzen die Mitarbeiter der Instandhaltung, dass sich die Parkposition des Messkopfes neben dem Kühlbett befindet. So ist die Messbrücke auch während des laufenden Betriebes gut zugänglich.

Bei einem Stromausfall wird der Steuerrechner der Anlage durch eine USV gepuffert und schaltet sich nach wenigen Minuten selbständig ab. Sobald Strom wieder verfügbar ist, fährt er automatisch hoch und startet alle erforderlichen Prozesse automatisch. Dabei ist kein Eingreifen der Instandhaltung erforderlich.

Die Erfahrungen aus den ersten Monaten produktiven Betriebes zeigen, dass die vollständige und präzise Erfassung von Kontur und Ebenheit jedes einzelnen Bleches zuverlässig arbeitet und die Anlage eine sehr hohe Verfügbarkeit hat. Die Entscheidung, mit einem Messbalken am ruhenden Blech zu messen, hat sich als richtig erwiesen: Der mathematische Algorithmus, der die Schnittvorgaben für das maximal mögliche Gutblech berechnet, hat sich bewährt.


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