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Die neue Hochpräzisions-Ebenheits-Messanlage der Ilsenburger Grobblech GmbH

Qualitätsmanagement

An der neuen Wärmebehandlungslinie der Ilsenburger Grobblech GmbH misst und dokumentiert ein System von nokra hinter der Richtmaschine die Ebenheit der feinebenen Verkaufsbleche entsprechend DIN EN 10029. Grundlage der hohen Messgenauigkeit der fast 30 m langen Anlage ist zum einen die Messung am ruhenden Blech und zum anderen die Präzision der verwendeten Laser-Lichtschnitt-Sensoren.

Die Ilsenburger Grobblech GmbH (ILG) hat eine neue Wärmebehandlungslinie in Betrieb genommen, mit der das Unternehmen seine Position als Lieferant von hochfesten, feinebenen Blechen stärkt. Dieses Marktsegment beinhaltet zum Beispiel Bleche für Automobilkrane mit Teleskopausleger; sie müssen zum einen hochfest sein, um die Tragkraft des Krans sicherzustellen, und zum anderen besonders eben sein müssen, damit das Ein- und Ausfahren der Ausleger sicher funktioniert.

In der neuen Halle mit einer Fläche von rund 31.000 m² werden Bleche mit einer Länge von bis zu 24.500 mm, einer Breite bis zu 3.550 mm und einer Dicke zwischen 5 und 175 mm wärmebehandelt und gerichtet.

Hinter dem Auslauf der Richtmaschine ist eine hochpräzise automatische Messanlage von nokra installiert, die die Ebenheit der Verkaufsbleche dokumentiert. Sie misst das Höhenprofil jedes einzelnen Bleches mit hoher Präzision, bewertet seine Ebenheit in Anlehnung an die DIN EN 10029 und erzeugt ein Prüfprotokoll.

Die DIN EN 10029 erlaubt für feinebene Bleche bei Verwendung eines 1-m-Lineals eine maximale Ebenheitsabweichung von 3 mm sowie von 6 mm für das 2-m-Lineal. Um diese Anforderungen mit Sicherheit zu erfüllen, definierte das Projektteam für das Messystem eine zulässige Ebenheitsabweichung von 2 mm für das 1-m-Lineal und von 3 mm für das 2-m-Lineal. Bei der Investitionsentscheidung war ein entscheidender Aspekt, dass die Messmittelfähigkeit des Systems mit diesen Toleranzen nach den MSA-Verfahren 1 und 3 nachzuweisen war.

Der Auswahlprozess

Eine manuelle Messung hatte das Projektteam deshalb von vornherein ausgeschlossen. Sie wäre fehlerträchtig gewesen, hätte viel Zeit in Anspruch genommen, wäre auf Stichproben beschränkt gewesen und hätte hohe Kosten verursacht.

Deshalb kam nur eine optische Messung infrage. Die meisten Systeme auf Basis der Laser-Triangulation, die das Projektteam angesehen hatte, messen die Ebenheit, während die Bleche auf einem Rollgang unter der stationären Messbrücke durchlaufen. Auch mit hohem zusätzlichen Messaufwand ist es nicht möglich, die Eigenbewegungen der Bleche auf dem Rollgang mit der erforderlichen Präzision zu kompensieren. Keines dieser Systeme erfüllte die Anforderungen an die Messmittelfähigkeit. Hinzu kam, dass die Messanlage in der Nähe der Richtmaschine angeordnet werden sollte und Vibrationen abgefangen werden müssten.

Deshalb suchte die ILG ein System, bei dem die Bleche sich während der Messung nicht bewegen und der Messtisch von Vibrationen der Richtmaschine entkoppelt ist.

 

Die Lösung

Die nokra GmbH hatte erkannt, dass ein grundlegend neuer Ansatz erforderlich war, um die Messmittelfähigkeit zu gewährleisten und bereits in mehreren Grobblech-Walzwerken Anlagen auf der Basis von Laser-Lichtschnitt-Sensoren realisiert. Der Unterschied zur Messung im Durchlauf ist, dass die Bleche während der Messung ruhig auf einem präzise eingemessenen Messtisch liegen und die Sensoren über das Blech verfahren werden. Mit diesem Anlagenaufbau konnte das Unternehmen den Messmittelfähigkeitsnachweis des Systems erbringen.

Im April 2018 erteilte SMS, der Generalunternehmer für den Neubau der Wärmebehandlungslinie, nokra den Auftrag für Lieferung und Inbetriebnahme des Systems hinter dem Auslauf der neuen Richtmaschine RM 5. Mit einem Verfahrweg von nahezu 30 m ist es das größte Messsystem, das nokra bisher gebaut hat

Eine Herausforderung im Projekt war, dass die Messanlage im Zuge der Installation der neuen Richtmaschine zu einem sehr frühen Zeitpunkt betriebsbereit sein musste, denn die Ebenheitsdaten sollten für den Abnahmetest der Richtmaschine verwendet werden. Dieser war für 500 Bleche vorgesehen, eine manuelle Messung wäre unrealistisch gewesen.

Die Technik

Basis des Messverfahrens ist das Laser-Lichtschnitt-Verfahren. Die von nokra speziell für dieses Verfahren entwickelten Sensoren sind in ein Portal integriert, das während der Messung auf in das Fundament eingelassenen Präzisionsschienen über die gesamte Länge des Bleches verfährt.

Die neun nebeneinander angeordneten, werksseitig kalibrierten Lichtschnittsensoren alpha.VR von nokra projizieren Laserlinien auf die Oberfläche des Messgutes, die die gesamte Breite des Messtisches überstreichen. Den Messbereich der Sensoren hat nokra so ausgelegt, dass die geforderte Messgenauigkeit erreicht wird. Damit es nicht zu gegenseitiger Beeinflussung benachbarter Lasersensoren kommt, sind sie abwechselnd um 150 mm versetzt montiert.

Während das Portal über das Blech fährt, erfassen die unter einem Winkel angebrachten Kameras der Sensoren jeweils „ihre“ Linie. Die Höheninformation, aus der die Ebenheit errechnet wird, ergibt sich aus dem Winkel, unter dem die Kameras die Linien auf dem Blech „sehen“. Die Position des Portals wird von einem Magnetaufnehmer entlang des Wegs erfasst, so dass ein vollständiges Höhenprofil entsteht.

Die aus der Richtmaschine kommenden Bleche laufen über heb- und senkbare Scheibenrollen auf den Messtisch. Damit die Präzision der Messanlage nicht durch eventuelle Unebenheiten des Tisches beeinflusst wird, wurde der Tisch bei der Installation präzise ausgerichtet. Das Unterschreiten der maximal zulässigen Ebenheitsabweichung von 2 mm wurde durch Messungen mit einem Lasertracker überprüft. Nach bestandenem Messmittelfähigkeitsnachweis kann nun die Ebenheit des Messtischs jederzeit überprüft werden, indem das Messportal einmal über den leeren Tisch fährt. Dabei blendet die Software die Durchbrüche für die Scheibenrollen und Schlitze automatisch aus.

Wenn das Blech die Messposition erreicht hat, wird es angehalten und der Rollgang abgesenkt, sodass das Blech vollständig auf dem Messtisch aufliegt. Nach dem Start der Messung fährt das Portal über die gesamte Länge des Bleches und nimmt dabei das Höhenprofil des Prüflings auf. Die Sensoren erkennen automatisch das Blechende, die Messung stoppt und das Portal fährt wieder in seine Ausgangsposition. Anschließend werden die Scheibenrollen angehoben und das Blech verlässt den Messtisch.

Die Verfahrgeschwindigkeit des Portals ist mit 0,5 m/s vergleichsweise hoch, ein 24 m langes Blech wird innerhalb von 50 s vermessen. Die Sensoren messen mit einer Frequenz von 200 Hz. Bei der erwähnten Geschwindigkeit liefert das System so alle 2,5 mm ein vollständiges Höhen-Querprofil.

 

Die Sensorik

Da die Anlage für bis zu 500 ° C heiße Bleche ausgelegt ist, sind die Unterseite der Messbrücke sowie die auf dem Messportal mitfahrenden Komponenten mit Edelstahl-Hitzeschutzblechen verkleidet. Die Lasersensoren sind in gekapselten Schutzgehäusen montiert, die von einem Heiz-/Kühlgerät aktiv temperiert werden, dabei nutzt das System Umgebungsluft für die Rückkühlung des Kühlmittelkreislaufs.

Oberhalb der Hitzeschutzbleche wird unter den Lasersensoren Umgebungsluft über die gesamte Breite des Portals geblasen, um das Eindringen von erwärmter Luft, die vom Blech und vom Messtisch aufsteigt, zu minimieren. Der Luftstrom verringert gleichzeitig das Eindringen von Schmutz und Staub in die Messbrücke. Schmalbandige Filter schützen die Optik vor dem Einfluss von Fremdlicht.

Zum Schutz vor Kollisionen mit dem Hallenkran hat SMS eine massive Garage für die Parkposition gebaut. Auch dort werden die Sensoren durch Bleche von unten vor thermischer Strahlung abgeschirmt.

Die Justierung

Die Messgenauigkeit wird regelmäßig überprüft. Dabei wird ein im Portal integrierter, zertifizierter Justierkörper aus eloxiertem Aluminium automatisch durch alle Sensormessbereiche gefahren. Nach der Justierfahrt wird die aktuelle Position jedes Lasersensors berechnet und in einem gemeinsamen Maschinen-Koordinatensystem hinterlegt.

Die Justierung ist in den automatischen Messablauf der Anlagensteuerung integriert: Bestehen Zweifel an der Justierung, übermittelt nokra die Meldung, dass eine erneute Justierung fällig ist. Die Prozesssteuerung löst dann vor dem nächsten Blech eine Justierfahrt aus.

Installation und Inbetriebnahme

Die Werks-Vorabnahme bei nokra in Baesweiler erfolgte gemeinsam mit Ilsenburg und SMS auf einer mehrere Meter langen Fahrstrecke. Sie ergab keinerlei Beanstandungen. Dabei zeigte sich auch, dass die Anlage „stahlwerkstauglich“ ist.

Die Installation im Werk Ilsenburg lief zügig, die ersten messtechnischen Abnahmetests begannen bereits Ende 2020 in Zusammenarbeit mit ILG und SMS. Schon zu Beginn des Jahres 2021 erfolgte die auf Anhieb erfolgreiche Endabnahme mit dem Nachweis der Messmittelfähigkeit nach MSA Verfahren 1 und 3. Dafür wurden acht Messspuren zugrunde gelegt, die über die Oberfläche des Bleches verteilt waren und entlang derer die Ebenheitswerte verglichen wurden.

Die Prüfung nach MSA Verfahren 1 umfasst die Ermittlung der Wiederholpräzision (Cg-Index) und der systematischen Abweichung (Cgk-Index). Zur Berechnung des Cgk-Index wurden die Messwerte des Systems entlang dieser Spuren mit denen eines Lasertrackers verglichen und verifiziert.

Für das 1-m-Lineal ergab sich ein Cg-Index von mehr als 2,94; der Cgk-Index lag über 1,75, gefordert waren jeweils Werte von mindestens 1,33. Für das 2-m-Lineal wurde ein Cg-Index von 4,39 ermittelt, der Cgk-Index betrug 3,07; auch hier waren nur Werte von mehr als 1,33 gefordert.

Für den Nachweis der Wiederhol- und Vergleichspräzision (%R&R) nach MSA Verfahren 3 wurden 25 Produktionsbleche verwendet, die je zweimal mit der Anlage entlang der Spuren vermessen wurden. Daraus wurde die Wiederhol- und Vergleichspräzision als prozentualer Wert berechnet. Während ein Wert von kleiner als 30 % gefordert ist, ergab sich für das 1-m-Lineal lediglich ein Wert von 6,79 %. Für das 2-m-Lineal wurde ein Wert von 7,09 % ermittelt. So wurde für beide Verfahren nachgewiesen, dass alle Werte deutlich innerhalb der zulässigen Toleranzen liegen.

 

Der Prozess

Die Visualisierung der Messwerte für die Steuerleute entspricht den Vorgaben von ILG. Normalerweise sieht der Steuermann auf der Steuerbühne die Verteilung der Ebenheit als 2D-Grafik. Die Lineale werden der Norm DIN EN 10029 entsprechend für die 1-m-Lineale als rote und für die 2-m-Lineale als blaue Linien angezeigt. Der Ort der der jeweils größten Ebenheitsabweichung wird mit einem roten Punkt markiert. Für eine genauere Darstellung kann der Anlagenbediener zu einer 3D-Anzeige wechseln.

Außerdem hat nokra auf Wunsch von ILG eine Ampel implementiert, sodass der Steuermann auf einen Blick sehen kann, ob das vermessene Blech die vorgegebenen Toleranzen in der Ebenheit erfüllt oder nicht.

Wenn ein Blech nicht den Anforderungen entspricht und das Gefüge es erlaubt, kann es in die Richtmaschine zurückgefahren und erneut gerichtet werden. Bei Bedarf wird es noch einmal wärmebehandelt und erneut gerichtet.

Die Bilanz

Die Messanlage war mehrere Wochen vor der Abnahme der Richtmaschine in allen Funktionen betriebsbereit und endgültig abgenommen. So konnten die Leistungstests für die Richtmaschine mit 500 Blechen wie ursprünglich geplant stattfinden.

Seit Anfang Februar 2021, dem Termin des Produktionsstarts der Quette, läuft die Anlage automatisch im Dreischichtbetrieb, sie bekommt Steuerimpulse von der Prozesssteuerung und überträgt die Messdaten an das Prozessleitsystem. Es gab bisher lediglich eine Störung, die durch den Tausch eines werksseitig kalibrierten Lasersensors schnell behoben war.

Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass das System sehr wartungsfreundlich ist. Außer dem Schmieren einiger mechanischer Antriebskomponenten und dem Wechsel von Filtern des Heiz-/Kühlkreislaufs sind keinerlei regelmäßige Wartungsarbeiten auszuführen. Die Justierung erfolgt automatisch und erfordert keinen manuellen Eingriff des Bedienpersonals.

Ausblick

Für die Zukunft ist geplant, die Messergebnisse direkt in die Richtmaschine zurückzuspeisen, sodass diese automatisch für einen zweiten Durchlauf parametriert werden kann. Außerdem sollen die gespeicherten Ebenheitsdaten genutzt werden, um den Richtprozess ganz generell zu optimieren. Nach den guten Erfahrungen mit der neuen Anlage ist bereits eine zweite für die bestehende Adjustage 1 geplant.


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